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BGH: Rechtsnatur des Internet-System-Vertrag und des IT-Projektvertrags

27.05.2010 | ITK-Vertragsrecht | von Carsten Gerlach

Die rechtliche Einordnung eines "Internet-System-Vertrages" ist nicht eindeutig, da unter diesen Oberbegriff eine Vielzahl unterschiedlicher Vertragstypen zusammengefasst wird. Meist handelt es sich dabei um atypische oder gemischte Verträge. Eine Zuordnung der einzelnen Vertragsgestaltungen lässt sicht jedoch im Rahmen der gebotenen Schwerpunktbetrachtung und unter besonderer Berücksichtigung der unter dem Blickwinkel des Auftraggebers gewählten Zielrichtung erreichen. Der BGH hat zu diesen Fragen im Urteil vom 4. März 2010, AZ: III ZR 79/09 Stellung genommen.

Sachverhalt


Der BGH hatte über die rechtliche Einordnung eines Internet-System-Vertrages und über die Wirksamkeit einer Klausel, die in einem Internet-System-Vertrag eine Vorleistungspflicht des Kunden begründete, zu entscheiden.

In dem von den Parteien geschlossenen Vertrag schuldete die Klägerin dem Beklagten
  • die Recherche und Registrierung einer Internet-Domain,
  • die Zusammenstellung der Webdokumentation durch einen Webdesigner,
  • die Gestaltung und Programmierung einer individuellen Internetpräsenz nach den Vorgaben des Beklagten
  • sowie weitere Beratung und Betreuung über eine Hotline.

Die Beklagte hatte neben Anschlusskosten ein Entgelt in Höhe von 120,00 ? monatlich über 36 Monate zzgl. Umsatzsteuer zu entrichten.


Rechtliche Einordnung des Internet-System-Vertrages


Der BGH verglich den Internet-System-Vertrag zunächst mit Verträgen, die ähnliche Leistungsgegenstände betrafen und kam zum Ergebnis, dass der Vertrag insgesamt als Werkvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB einzustufen ist.

Der BGH begründete dies wie folgt:

Der Gegenstand des Internet-System-Vertrages ist die auf einen bestimmten Zeitraum festgelegte Gewährleistung der Abrufbarkeit einer von der Klägerin für ihren Kunden erstellten und betreuten Website im Internet. Leistungsgegenstand ist somit nicht das schlichte Tätigwerden der Klägerin als solches, sondern die Herbeiführung eines Erfolges als Ergebnis der Tätigkeit der Klägerin. Es geht bei diesem Vertragstypus nicht primär um die Bereitstellung von Softwareanwendungen, sondern die Klägerin schuldet "Domain-Service" und "Webdesign", die für sich genommen schon werkvertragliche Leistungen darstellen.

Es geht um die Beschaffung und Registrierung einer vom Kunden gewünschten Internet-Domain und um die Herstellung einer individuellen Website, die nicht als bewegliche Sache an den Kunden geliefert wird. Dies ist auch der Unterschied zum Werklieferungsvertrag. Auch das Website-Hosting steht einer werkvertraglichen Leistung näher als einer dienst- oder mietvertraglichen Leistung, denn es dient in erster Linie dazu, die Abrufbarkeit der Website zu gewährleisten und in diesem Sinne einen Erfolg herbeizuführen. Es kann daher weder als bloßes Tätigwerden noch lediglich als die Gebrauchsüberlassung von Speicherplatz angesehen werden. Diese Zweckrichtung ist auch die vertraglich vereinbarte Beratungs- und Betreuungspflicht der Klägerin, die ebenso auf die Gewährleistung der Abrufbarkeit der von ihr erstellten Internetpräsentation zielt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass ein pauschales Entgelt monatlich entrichtet werden muss, oder dass der Vertrag auf eine bestimmte Zeitdauer angelegt ist, auch wenn dies Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses sind und dem Kunden kein körperlicher Gegenstand als Werkleistung übereignet wird.
Der Vertragszweck ist hier auf einen Erfolg bezogen, daher kommt diesen Umständen kein entscheidendes Gewicht bei der  Einordnung zu.

Vorleistungspflicht unangemessen?


Die die Vorleistungspflicht begründende Klausel der Klägerin wurde vom BGH nicht als unwirksam angesehen, da sie nach umfassender Interessenabwägung und den hier zugrunde liegenden Tatsachen sachlich gerechtfertigt sei. Die Klägerin (der Anbieter) leistete bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit den überwiegenden Teil der insgesamt zu erbringenden Leistung. Die Vorleistungspflicht des Beklagten (des Kunden) ist demgegenüber keine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben.  Der Anteil des für das erste Jahr der Vertragslaufzeit im Voraus zu zahlenden Entgelts an der vereinbarten Gesamtvergütung steht deutlich hinter dem Anteil am Gesamtaufwand, den die Klägerin zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten in dem Zeitraum aufzubringen hat.

Konsequenz für IT-Projektverträge und Software-Erstellungsverträge


Beiläufig äußert sich der BGH in der Entscheidung vom 4.5.2010 zu einer bislang äußerst umstrittenen Frage: der Rechtsnatur des Software-Erstellungsvertrags.

In Anschluß an eine Entscheidung des BGH vom 23. Juli 2009 (Aktenzeichen: VII ZR 151/08) ist zum Teil die Auffassung vertreten worden, dass es sich bei Software-Erstellungsverträgen um Werklieferungsverträge gemäß § 651 BGB und nicht um "echte" Werkverträge handelt. Dies hätte zur Folge, dass z.B. Abnahmeregelungen in Software-Erstellungsverträgen möglicherweise unwirksam wären.

In der Entscheidung vom 4. Mai 2010 geht der BGH jedoch wie selbstverständlich davon aus, daß es sich bei Software-Erstellungsverträgen in aller Regel um echte Werkverträge gemäß §§ 631 ff. BGB handelt:
"[...] ein Vertrag über die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software [...] [wird] regelmäßig als Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff BGB, unter Umständen auch als Werklieferungsvertrag im Sinne von § 651 BGB, anzusehen sein."

Die Entscheidung des BGH können Sie im Volltext bei juris abrufen:
BGH, Urteil vom 4. März 2010, Aktenzeichen III ZR 79/09

29.03.2024

Ausgezeichnet


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