Kanzlei Mitarbeiter Kontakt Impressum Datenschutz

BGH: Softwarepatente - Dynamische Dokumentgenerierung

28.08.2010 | Urteile | von Carsten Gerlach

Der BGH hat mit Beschluss vom 22. April 2010 die praktischen Möglichkeiten zur Patentierbarkeit von Software gestärkt. Er entschied erneut, dass es als "technisches Mittel" für die Patentierbarkeit sogenannter computerimplementierter Erfindungen ausreicht, wenn der Ablauf einer Software durch technische Gegebenheiten außerhalb des Rechners bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, eine Software so auszugestalten, dass sie auf die technischen Gegebenheiten des Rechners Rücksicht nimmt (BGH, Beschl.v. 22.4.2010, Az. Xa ZB 20/08).

Sachverhalt


Die streitige Patentanmeldung beschreibt ein technisches Verfahren zur dynamischen Generierung von strukturierten Dokumenten, beispielsweise HTML oder XML: ein Server (der in seiner Leistungsfähigkeit beschränkt sein kann) verarbeitet unter Verwendung eines Vorlagedokuments, das zum Beispiel die Struktur von Java Server Pages enthält, die im Dokument enthaltenen Anweisungen und erzeugt ein dynamisch strukturiertes Dokument, das an den Client übermittelt wird. Dadurch könnten Java-Serverseiten auch auf Rechner umgesetzt werden, auf denen nur eine angepasste Laufzeitumgebung installiert ist, die weniger Rechenkapazität oder Speicherplatz benötigt.

Begründung


Software "als solche" nicht patentfähig


Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Patentgesetz (PatG) ist Software "als solche" nicht patentfähig. Softwarepatente im engeren Sinne dürfte es daher nicht geben. Stark umstritten ist bislang die Frage, wann Software nicht "als solche" patentiert werden soll, sondern eine Erfindung im Sinne des Patentgesetzes vorliegt, die damit patentfähig ist.


"Technizität" als Voraussetzung der Patentierbarkeit


Voraussetzung einer Patentierbarkeit ist nach § 1 Patentgesetz die Technizität einer Erfindung - die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln ("technische Lehre").


Der BGH entscheid zwar bereits 1991 in der Entscheidung "Seitenpuffer" (BGH v. 11.6.1991 - X ZB 13/88), dass es für die Technizität ausreicht, wenn die Erfindung ein softwareimplementiertes Verfahren betrifft, das die Anweisung gibt, die Elemente eines Rechners beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen.


Enthält eine Erfindung technische und nichttechnische Merkmale, war bislang jedoch streitig, ob bei der Prüfung auf Schutz­fähigkeit nur auf den technischen Kern des Erfindungsgegenstands ("Kerntheorie") oder auf den gesamten Erfin­dungs­gegenstand unter Einschluß der nichttechnischen Merkmale abzustellen ist ("Gesamtbetrachtung"). 


BGH: Nur die technische Merkmale sind entscheidend


Der BGH entschied vorliegend erneut, dass es für das Technizitätserfordernis unerheblich ist, ob der Gegenstand einer Anmeldung neben technischen Merkmalen auch ggf. prägende nichttechnische Merkmale aufweist. Es komme nur darauf an, dass die ein konkretes technisches Problem mit neuen Mitteln gelöst werde und  somit auf erfinderischen Tätigkeit beruhe.


Weites Verständnis des Technikbegriffs im Zusammenhang mit Software


Der BGH bekräftigt, dass Software nur dann schutzfähig ist, wenn dadurch ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst wird. Jedoch soll es dafür ausreichen, wenn der Ablauf von Software durch technische Gegebenheiten außerhalb des Rechners bestimmt wird oder - darüber hinausgehend - die Software auf die technischen Gegebenheiten des Rechners Rücksicht nimmt. Im vorliegenden Fall wurde durch die Erfindung ermöglicht, vom Client angeforderte strukturierte Dokumente auch auf Servern, die in ihrer Kapazität beschränkt sein können, dynamisch zu generieren. Damit wurde nach Ansicht des BGH mit der besseren Ausnutzung begrenzter Ressourcen eines Servers ein konkretes technisches Problem gelöst.


Umgehung des Patentierungsverbots für Software "als solche"?


Die Spruchpraxis des BGH ist problematisch: durch das weite Verständnis des Technikbegriffs und die Zuwendung zur Kerntheorie ist es möglich, durch geschickte Formulierung der Patentanmeldung das Patentierungsverbot für Software "als solche" zu umgehen. Nahezu jede Software kann ein "konkretes technisches Problem" im Sinne einer besseren Ausnutzung naturgemäß begrenzter (Hardware-)Ressourcen lösen.


BGH, Beschluss vom 22. April 2010, Aktenzeichen Xa ZB 20/08

29.03.2024

Ausgezeichnet


JUVE-Handbuch 2016/2017 empfiehlt erneut TCI Rechtsanwälte

mehr

 

Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in Kraft. Wir beraten Sie zu den neuen Anforderungen, den drohenden Risiken und zur der Umsetzung erforderlicher Maßnahmen zur Gewährleistung der Datenschutz- Compliance.

mehr

 

IT-Beschaffung und Ausschreibung

Sie finden bei uns Informationen zur Ausschreibung und Beschaffung von Software durch die öffentliche Hand - z.B. Beschaffung von Gebrauchtsoftware, Open-Source-Software oder über Rahmenverträge.

mehr

 

Aktuelle Veröffentlichungen

Carsten Gerlach, Sicherheitsanforderungen für Telemediendienste - der neue § 13 Abs. 7 TMG, in: CR 2015, 581


Carsten Gerlach, Personenbezug von IP-Adressen, in: CR 2013, S. 478


Carsten Gerlach, Vergaberechts- probleme bei der Verwendung von Open-Source-Fremdkomponenten, in: CR 2012, S. 691


Michael Karger,
BGH: "Handlungsanweisung" für Hostprovider bei möglicherweise persönlichkeitsrechtsverletzendem Blogbeitrag, in: GRUR-Prax 2012, S. 35

 

IT-Recht im beck-blog

blog zum IT-Recht von Dr. Michael Karger im Experten-blog des Verlags C.H. Beck