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OLG Hamburg: Sharehoster haftet bei "von der Rechtsordnung missbilligtem Geschäftsmodell" ohne Zumutbarkeitsprüfung als Störer - "Rapidshare II"
5.05.2010 | Internet und E-Commerce | Urteile | Publikationen | von Dr. Michael Karger
Kurzbesprechung in GRUR-Prax 2010, 58 (Link für Abonnnenten von beck-online).Rapidshare ist ein in der Schweiz ansässiger Sharehosting-Provider, auf dessen Server anonyme Nutzer Dateien hochladen können. Dritte können diese Dateien durch Anklicken der ihnen von den Nutzern mitgeteilten Links aufrufen und herunterladen.
Nach Vortrag des Klägers macht Rapidshare auf ihren Systemen zahlreiche geschützte Bilddateien öffentlich zugänglich. Das OLG Hamburg errechnete, dass bei der Beklagten täglich etwa 9.000 Dateien in rechtsverletzender Weise eingestellt werden.
Nach Auffassung des OLG Hamburg haftet Rapidhsare nach den Grundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung. Das Unternehmen habe trotz Kenntnis keine Maßnahmen getroffen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Die Einrichtung einer "Abuse-Abteilung", der Rechtsverletzungen gemeldet werden können, die Implementierung eines MD5-Verfahrens zur Verschlüsselung von Passwörtern und zur Integritätsprüfung von Daten sowie von Wortfiltern oder die individuelle Kontrolle von bekannten Raubkopierer-Websites seien nicht ausreichend. Vielmehr hätte Rapidshare die Nutzer entweder registrieren oder IP-Adressen protokollieren sowie den Upload verdächtiger Dateien verhindern müssen. Anders als sonst bei der Störerhaftung komme es nicht darauf an, ob solche Maßnahmen für die Beklagte zumutbar sind. Eine Differenzierung nach zumutbaren und unzumutbaren Maßnahmen stehe unter dem Vorbehalt, dass der in Anspruch genommene Verletzer "ein von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell" betreibe. Das Geschäftsmodell von Rapidshare werde von der Rechtsordnung nicht gebilligt, da ihm Gefahr innewohne, dass es für die (massenhafte) Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt wird. Inhaber von Schutzrechten würden bewusst vollständig schutzlos gestellt.
Das OLG Hamburg hält an seiner harten Linie zur Störerhaftung von Sharehostern fest (vgl. OLG Hamburg, MMR 2008, 823 - ""Rapidshare I"). Die Störerhaftung im Telemedienbereich erfährt eine erhebliche Ausweitung, da nunmehr zunächst zu prüfen ist, ob das Geschäftsmodell des Störers von der Rechtsordnung gebilligt wird. Nur wenn dies zu bejahen ist, kommt man überhaupt zur Frage, ob der Störer die für ihn zumutbaren Maßnahmen zur Abwendung der Rechtsverletzung getroffen hat. Sonst gilt ein "Generalverbot" und der Störer haftet "ohne wenn und aber". Das OLG macht deutlich, dass insbesondere die Ermöglichung der anonymen Nutzung von entsprechenden Online-Plattformen zu ihrer ?rechtlichen Ächtung? führen kann.
Teilweise wird die Befürchtung geäußert, dass die strengen Maßstäbe des OLG Hamburg auch auf andere Dienste wie z.B. anonyme Meinungsforen angewendet werden könnten (vgl. Breyer, MMR 2010, 55). Jedenfalls Share- und Webhostern ist angesichts der Rechtsprechung des OLG Hamburg anzuraten, über eine Registrierungspflicht für ihre Nutzer nachzudenken.
Hierbei sind allerdings auch die datenschutzrechtlichen Wertungen des TMG zu beachten. Abzuwarten bleibt, ob der BGH diese strenge Linie bestätigen wird. Jedenfalls folgen nicht alle Obergerichte der Hamburger Linie. Wie Heise Online jüngst berichtet, kommt das OLG Düsseldorf zu einer anderen Bewertung des Rapidshare-Modells.