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Rechtliche Weichenstellungen und Fallstricke in der vorvertraglichen Phase

18.01.2010 | Projekt-Vorbereitung | von Dr. Michael Karger

Die rechtliche Begleitung eines Projekts sollte sich im Idealfall über die ganze Projektdauer erstrecken, wobei die Einbindung des Anwalts je nach Phase des Projekts unterschiedlich intensiv ist.

Entscheidend ist die rechtliche Begleitung vor allem in den folgenden Stadien:

 

  • Vorvertragliche Phase (oft auch Pre-Sales-Phase genannt);
  • Vertragsentwurf, Vertragsverhandlung, Vertragsschluss;
  • Projektkrise.

 

Im Folgenden soll nur die vorvertragliche Phase beleuchtet werden, die Phase in der die wenigsten Mandaten daran denken, anwaltlichen Rat einzuholen. In dieser Phase geht es um die erste Planung des Projekts, die Suche nach und die Auswahl von Anbietern, die Durchführung von Ausschreibungen und die Erstellung von Angeboten. Bereits in dieser Vorphase kann jede der Parteien Fehler machen, die im Nachhinein oft nicht mehr korrigiert werden können. Vier klassische  Problemfelder sollen hierzu kurz angesprochen werden:

 

1.  Angebote und Präsentation

 

Ein häufig anzutreffender Fehler auf Anbieterseite in der Pre-Sales-Phase liegt darin, dass der Vertrieb bei der Gestaltung von Werbematerialien mit Superlativen bei der Beschreibung der eigenen Produkte und Leistungen nicht spart und entsprechende Materialien rechtlich nicht geprüft werden. Der Kunde hält ihn später an seinen Anpreisungen fest und besteht darauf, die getroffnen Aussagen auch in den Projektvertrag (etwa in die Präambel) zu übernehmen.

 

Selbst wenn die Aussagen nicht ausdrücklich in den Vertrag übernommen werden, kann sich das Risiko einer erweiterten Mängelhaftung des Anbieters ergeben, wenn auf den Vertrag unmittelbar oder entsprechend Kaufrecht anzuwenden ist. Entsprechende Werbeaussagen können den für den Vertrag maßgeblichen Begriff des Sachmangels erweitern, sofern § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zur Anwendung kommt. Die Bestimmung gilt nur für Kaufverträge; das Werkvertragsrecht kennt keine entsprechende Vorschrift. Eine Anwendung von Kaufrecht kommt wegen § 651 BGB allerdings bei Projektverträgen über die Erstellung von Software in Betracht. § 651 BGB verweist in das Kaufrecht, so dass auf diesem Wege auch § 434 BGB einschlägig sein könnte. Die Anwendbarkeit des Kaufrechts auf Software-Erstellungsverträge ist allerdings nicht sachgerecht und wird deshalb überwiegend abgelehnt.

 

Problematisch sind unter dem Gesichtpunkt des § 434 BGB in erster Linie allgemein im Markt verbreitete Werbeaussagen und Materialien. Demgegenüber sind Präsentationen mit exklusiv erstelltem Einzelmaterial in einem geschlossenen Teilnehmerkreis keine "öffentlichen Aussagen" im Sinne dieser Bestimmung.

 

2. Letter of Intent

 

Potentiell riskant für jede Partei ist der Abschluss eines rechtlich nicht geprüften Letter of Intent. Dies kommt in der Praxis häufig vor und zumeist drängt die Anbieterseite auf die Unterzeichnung eines entsprechenden Dokuments. Die Vertriebsmitarbeiter stehen unter dem Druck, Erfolgsmeldungen beizubringen und nichts dokumentiert einen sich anbahnenden Neuumsatz vermeintlich besser als ein unterzeichneter LoI.

 

Nichtjuristen nehmen die Bezeichnung des Dokuments meist für bare Münze und gehen davon aus, dass es sich um ein rechtlich in jeder Hinsicht unverbindliches Dokument im Sinne einer bloßen Absichtserklärung handelt. Dementsprechend freizügig werden in solchen LoIs Leistungen zugesagt, "Zusicherungen" und "Garantien" gegeben und Vergütungen und Rabattierungen festgelegt, alles in der Meinung, es handle sich um unverbindliche Eckpunkte, die noch verbindlich im "eigentlichen" Vertrag vereinbart werden müssten.

 

Ob entsprechende Erklärungen tatsächlich unverbindlich sind oder die Wirkung eines verbindlichen Vorvertrages haben, beurteilt sich nicht nach Bezeichnung des Dokuments, sondern nach dessen konkretem Inhalt und der Formulierung der einzelnen Bestimmungen. Formulierung wie "wir verpflichten uns", "wir sichern zu", etc. sprechen für eine bindende Verpflichtung. Oft wird einer Partei erst zu spät bewusst, dass sie nicht eine unverbindliche Erklärung, sondern einen Vertrag mit verbindlichen Vorfeldvereinbarungen oder einen Vorvertrag abgeschlossen hat und sich hiervon nicht mehr ohne Weiteres lösen kann.

 

3. Leistungsbeschreibung

 

Viele Auftraggeber scheuen die Mühe, die von Ihnen erwartete Leistung wenigstens in den Grundzügen in einem Pflichtenheft zu beschreiben. Diese Leistungsbeschreibung ist das entscheidende Werkzeug zur Qualitätssicherung und bildet das Kernelement eines jeden Projektvertrags.

 

Die rechtliche Bedeutung der Leistungsbeschreibung ist den Parteien vielfach nicht bewusst. Oft halten Sie es für ausreichend, wenn ein Projektvertrag abgeschlossen wird und im Vertragsdokument die (ganz oder teilweise nicht vorhandenen oder unvollständigen) Anlagen verwiesen wird, die dann die Leistungsbeschreibung enthalten sollen. Kommt es zu einer Projektkrise und geraten die Parteien darüber in Streit, wessen Pflicht es gewesen wäre, das Pflichtenheft zu erstellen, sieht es bei einer fehlenden vertraglichen Regelung hierzu tendenziell schlecht für den Kunden aus: Denn die Erstellung des Pflichtenheftes ist grundsätzlich Sache des Auftraggebers.

 

Oft wird die Erstellung der Leistungsbeschreibung aber auch vom Auftragnehmer übernommen. Dieser zieht hieraus Vorteile, denn er erhält so die Redaktionshoheit über das Dokument. Die Redaktionshoheit bei der Formulierung des Leistungsinhalts ist ein wichtiges taktisches Instrument für denjenigen ist, der sie innehat. Denn der Auftragnehmer kann Formulierungen wählen, die den Leistungsinhalt ausdünnen und sich dabei in vielen Fällen wesentliche Argumentationshintergründe für künftige Auseinandersetzungen schaffen können.

 

Ein weit verbreitetes Missverständnis auf Mandantenseite liegt in der Annahme, dass Leistungsbeschreibungen letztendlich rein technische Dokumente sind und deshalb keiner Überprüfung durch den Anwalt bedürfen. Oft enthalten diese Dokumente aber explizite rechtliche Regelungen, die den Bestimmungen des Hauptvertragsdokuments entgegenlaufen, diese relativeren oder gar aushebeln. Letztendlich sollte deshalb jede Leistungsbeschreibung nicht nur aus technisch-organisatorischer Sicht (am Besten von einem EDV-Sachverständigen), sondern auch rechtlich von einem Anwalt geprüft werden.

 

4.  Vergaberecht

 

Schließlich sei noch ergänzt, dass viele Auftraggeber aus dem Bereich der Öffentlichen Hand nach wie vor über die Vorgaben des Vergaberechts stolpern. Mittelbar treffen die Folgen von Vergaberechtsverstößen immer auch den Auftragnehmer, so dass es in dessen Interesse ist, die Rechtskonformität der Auftragsvergabe im Auge zu behalten. Hier geht es nicht allein um die Klärung, ob das Projekt ausschreibungspflichtig ist oder nicht. Ein klassisches ?Vorfeld?-Thema ist auch die sog. "Projektanden-Problematik". Hierbei geht es um die Frage, ob ein Anbieter, der den Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens berät oder sonst unterstützt, im Vergabeverfahren noch als Bieter zugelassen werden darf und welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit sich der Anbieter nicht ins Abseits manövriert.

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